Die Ausstellung von SAGMEISTER & WALSH: Beauty, das MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst und das Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main seit 24.10.2018 in Wien zeigen, war der Auslöser für das Thema der DenkBar am Donnerstag, 24. Januar 2019, im Schrifthof. „Wozu Schönheit?“ war die Frage, die wir sich an diesem Abend stellte und angeregt diskutierte.
Laut der Ankündigung des Ausstellungsprojektes SAGMEISTER & WALSH: Beauty liefern Stefan Sagmeister und Jessica Walsh ein visuell eindrucksstarkes, multimediales Plädoyer für die Lust am Schönen. Die das gesamte MAK durchflutende Ausstellung untersucht, warum sich Menschen von Schönheit angezogen fühlen, wie sie mit ihr umgehen können und welche positiven Effekte Schönheit haben kann. Anhand von Beispielen aus den Bereichen Grafik, Produktdesign, Architektur und Stadtplanung demonstrieren Sagmeister & Walsh, dass schöne Objekte, Gebäude und Strategien nicht nur mehr Freude machen, sondern tatsächlich besser funktionieren, und dass die Form nicht einfach der Funktion folgt, sondern in vielen Fällen die Funktion ist.
Gestärkt durch Käse, Brot und Rotwein stieg der Kreis von 12 Teilnehmenden ins Thema ein. Die Frage sprang an mit dem Verweis auf eine Studie, in der wissenschaftlich untersucht wurde, welche Hirnregionen angeregt wurden beim Betrachten von „schönen“ Bildern. Die Ergebnisse zeigten, dass nur dann Personen aktive Hirnregionen zeigten, wenn sie die gezeigten Bilder tatsächlich als schön empfanden. Die Personen zeigten dabei unterschiedliche Reaktionen je nachdem ob sie die Bilder tatsächlich bewusst wahrgenommen hatten oder ob sie aus der Situation dieses nicht bewusst tun konnten oder die Bilder eben diese Wahrnehmung von Schönheit nicht hatten. Wir wechselten dann zu den Definitionen von Platon, Kant und anderen, die die Wahrnehmung von Schönheit als ganz persönliches Ergebnis erlebten. „Über Schönheit kann man nicht streiten“, da sie lediglich aus der Wertung jeder einzelnen Person resultiert. Wenn wir gemeinsam im Museum ein Bild betrachten, gibt es da nicht die gemeinsame und übereinstimmende Wahrnehmung? Wahrscheinlich sind beide aus demselben Kulturkreis, haben übereinstimmende Wahrnehmungen gelernt. Es kann natürlich auch durch den Austausch über ein Bild oder eine Skulptur passieren, das wir die Wertung „schön“ miteinander diskutieren, uns austauschen und so den anderen mitziehen. Wir passen uns durch den Austausch gegenseitig an, lernen voneinander und stimmen dann vielleicht in unserer Wahrnehmung überein. Ist es dann tatsächlich das „Schön“ oder spricht uns da anderes an, zieht uns an, weckt unser Interesse?
S.-C. bringt die ganz persönliche Erfahrung ein, dass das Erleben einer komplizierten Fernbeziehung belastend ist, aber dennoch die eigene Wahrnehmung entsteht, es zu erleben und es durchzustehen dennoch als „schön“ empfunden wird. Damit kam ein Stück der Zweckgedanken hinein und die Folussierung auf die eigentliche Fragestellung „Wozu Schönheit?“. Braucht es „Schönheit“? Ist „Schönheit“ lebensnotwendig, vielleicht sogar lebenserhaltend. Nachdem wir die Grundbedürfnisse abgegrenzt haben (Wenn jemand Hunger hat, wird er dann zuerst nach dem Essen oder nach dem „Schönen“ Bild greifen?), also die Grundbedürfnisse befriedigt sind, wird es doch um „Schönheit“ gehen: das schöne Bild, schöne Musik, Schönes schmecken, riechen, fühlen. Also mit allen Sinnen wahrnehmen. Die Diskussion führte uns dann doch zunächst stark ins visuell Wahrgenommene: Bilder, schöne Bilder. Und doch spielen auch die anderen Sinne eine wichtige Rolle, auch wenn sie immer wieder zu inneren Bildern führen. Der Duft, der in uns ein erlebtes Bild hervorruft, das Schreien der Raben, das in uns eine schöne Situation aus dem Urlaub wach ruft, das Bild im Wohnzimmer, das eine Urlaubsidylle zeigt, ruft in uns das Erlebte, die Erinnerung an den Ort, die Zeit, die Gefühle wach. Dieses individuell und persönlich erlebte „Schöne“.
„Wozu Schönheit?“ Schönheit für die Hygiene, das Wohlbefinden der Seele, für die „Reinigung“ der Seele nach unangenehmen oder hässlichen Erlebnissen und Situationen. Und doch bleibt es individuell und subjektiv. Immer wieder versuchen wir Anhaltspunkte zu finden, ob es nicht ein „Gemeinsames“ von Schönheit gibt, das nicht durch Konvention, Training, Lernen angeglichen und angepasst geformt ist. „Schönheit“ ist eine abstrakte, nicht messbare Eigenschaft, die wir entwickeln. „Schönheit“ entsteht im Auge des Betrachters – als Abwandlung zur Feststellung: das Bild entsteht im Auge des Betrachters. Ist es die „Schönheit“ oder nicht vielmehr das Interessante, das Neue, das Anziehende, manchmal auch das Erhabene, was in uns entsteht.
Wir versuchen uns einmal von den Bildern und dem visuell Wahrgenommenen zu entfernen und auch andere Sinne zu betrachten. Hören: die schöne Stimme oder die Stimme, die uns abstößt; der Duft, das Fühlen, das schöne Essen. Aber Wozu?
Ein Leben ohne Schönheit ist sicher nicht lebenswert und vielleicht sogar zerstörerisch. Wir brauchen das Schöne, die Schönheit für die eigene „Hygiene“, für ein lebenswertes Leben und Überleben. Für brauchen „Schönheit“ für den persönlichen Zweck und Nutzen.
Bleibt ein Schönes Bild, ein schöner Gegenstand, etwas Schönes schön? Wie grenzt sich Schönheit von Kitsch ab? Kinder z.B. mögen es bunt und schrill – wir Erwachsenen empfinden es als Kitsch. Kinder kennen und können diese Unterscheidung nicht, da sie die Prägung durch Konventionen oder auch durch die soziale Schicht und die gesellschaftliche Konvention noch nicht gelernt haben und kennen. Aber auch für uns Erwachsene, kann ein Bild oder ein Gegenstand zwar immer noch schön sein und dennoch unser Interesse verloren haben. Wir erkennen dem Bild oder Gegenstand die Schönheit nach wie vor zu, dennoch müssen wir es nicht mehr betrachten. Wir erkennen z.B. die Schönheit einer Musik von Mozart, Händel oder Bach an und doch müssen wir nicht die Musik erneut hören. Wenn wir sie trotzdem erneut anhören, dann eher wegen der Aufführung, der Interpretation durch das Orchester, die Musiker, den Dirigenten. So geht es auch mit Bildern, mit Theaterstücken, mit Filmen. Es ist nicht der Stoff selbst sondern die Ausführung.
Auch in dem Wahrnehmen und Interessieren für Schönheit treten Veränderungen ein, wir lernen und verändern unseren Blick, unsere Wahrnehmung und die Nuancierungen in den Darstellungen kennen und erkennen wir, suchen dann eher nach neuen Erfahrungen mit dem Schönen. Wir wollen uns auch weiterentwickeln. Vielleicht greift an der Stelle die Aussage des Faust gegenüber dem Mephisto für den Augenblick: „Verweile doch, du bist so schön“. Auch hier ist ja anderes gemeint, als wir eigentlich herauslesen. Es ist die Wette zwischen Faust und Mephisto: Wenn ich einmal nicht mehr wissbegierig bin und nicht mehr Neues erfahren will, sondern nach der Devise lebe: „Verweile doch, du bist so schön“, dann nimm meine Seele. Wenn ich nicht mehr neugierig auf das Neue bin, sondern mich ausruhen will, dann bekommst Du mich.
Nächste DenkBar: Donnerstag, 28. Februar 2019 – Thema: Wozu Freundschaft?