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Über uns …

Schrifthof – Werkstatt für experimentelle Kalligraphie

Handschrift, Schriftkunst und Buchobjekte

Jantje Janßen

(*29.06.1949 – † 10.07.2017)

Kunsthändlerin, Galeristin, Autorin, Radiererin und Kalligraphin, Ausbildung am Institut für Grafik und Malerei an der Philipps-Universität Marburg

Mitgründerin von Schrifthof im Jahre 2014 (damals noch im Alten Schlachthof Karlsruhe)

Sie setzte sich sein ca. 10 Jahren mit Kalligraphie und Schrift auseinander. Sie hat Kurse und Workshops bei national und international bekannten Kalligraphen besucht:

  • Mari Emily Bohley
  • Stephanie Bunn
  • André Gürtler
  • Thomas Ingmire
  • Torsten Kolle
  • Denise Lach
  • Birgit Nass
  • Brody Neuenschwander
  • Susanna Stambach
  • Peter Thornton

Gründung von Schrifthof – Werkstatt für experimentelle Kalligraphie (2014)

Beteiligungen an Ausstellungen:

  • „Die sieben Todsünden“ Gruppenausstellung in der Evangelischen Michaelskirche in Eberbach, 2009
  • „Kairos“ Gruppenausstellung im Forum Hohenwart bei Pforzheim, 2011
  • „Palimpsest“ Gemeinschaftsausstellung im AOK-Bildungszentrum in Pfedelbach-Untersteinbach, 2015

Leider ist sie am 10. Juli 2017 völlig unerwartet und für uns unfassbar gestorben.

Einfach weggegangen – Jantje Janßen ist tot (Nachricht vom 10. Juli 2017)

Die Bühne ist leer … und tönt trotzdem von ihr – Zum Tod von Jantje Janßen

Heim gegangen – Abschied von Jantje Janßen

Am 25. November 2017 haben sich die Familie und alte Wegbegleiter in Wilhelmshaven versammelt und Jantje auf ihrem letzten Weg begleitet. Die Sonne und der Himmel haben sie „wieder zu Hause“ strahlend empfangen und sie aufgenommen. Dort, wo sie seit vielen Jahren immer wieder hin wollte, sich zurückgesehnt hat an die Küste, das Meer, die Weite, dort ist sie nun angekommen. In der Ruhe, im Wind, in der Meeresbrise und dem weiten Blick hinaus in die Unendlichkeit.

In ihren letzten Monaten hat sie das Gedicht von Erich Fried immer wieder kalligraphisch geschrieben:

Meer

Wenn man ans Meer kommt
soll man zu schweigen beginnen
bei den letzten Grashalmen
soll man den Faden verlieren
und den Salzschaum
und das scharfe Zischen des Windes einatmen
und ausatmen
und wieder einatmen
Wenn man den Sand sägen hört
und das Schlurfen der kleinen Steine
in langen Wellen
soll man aufhören zu sollen
und nichts mehr wollen wollen nur Meer
Nur Meer

… und bitte noch zwei Strohhalme …

Ein Nachruf zum Andenken an Jantje Janßen

Am Samstag, 23.09.2017, haben wir, die Freunde und Bekannten gemeinsam mit der Familie uns in ihrem Haus und Garten getroffen und miteinander Abschied genommen, mit unseren Erinnerungen, Erlebnissen und in unseren Gesprächen an sie gedacht. Die Sonne schien bei diesem Andenkenfest. Und in allen Gesprächen wurde uns bewusst, wie viel wir durch ihre Erzählungen schon voneinander gehört hatten. Sie hat uns vernetzt. Auf einmal begegneten sich Menschen, die voneinander gehört hatten, sich aber noch nicht persönlich begegnet sind. Und oft hörte man da: „Oh, schon viel von Dir gehört …“

Jürgen Miller erinnerte mit seiner Musik an die Feste und Begegnungen mit Musik, mit Gespräch und so mancher Flasche Wein in gemütlicher Runde, er spielte noch einmal die Stücke, die bei seinem ersten öffentlichen Konzert mit dem Karlsruher Jazz Quartett in diesen Räumen erklungen sind.

Meine Erinnerung (Benno Kotterba) an Jantje habe ich so noch einmal Revue passieren lassen:

… und bitte noch zwei Strohhalme …

Es war unsere dritte Wanderung mit Rucksack bepackt und tatsächlich von Station zu Station unterwegs durch die Lüneburger Heide. Wir kehrten nachmittags in einem Gasthof ein. Gemütlicher Abschluss der Tagesetappe mit Kuchen und Kaffee. Dann wurde ein Tortenstück vorbeigetragen. Was ist das? Buchweizentorte – will ich probieren. Ich bestelle und Jantje ruf der Kellnerin noch hinterher: mit zwei Strohhalmen. Ich frag mich, wieso Strohhalme! Die Kellnerin kommt und bringt tatsächlich die Torte und auf dem Teller zwei Strohhalme. Ich schaue verdutzt, da zieht die Kellnerin eine Hand hinter ihrem Rücken hervor – mit zwei Kuchengabeln.

Norddeutsche verstehen sich einfach – einfach. … Und haben dabei ihren Spaß.

Zwei Strohhalme: etwas kosten, also versuchen und ausprobieren, wie es schmeckt und etwas teilen

Zwei Eigenschaften, die für Jantjes Entscheidungen, Handlungen und ihr Verhalten charakteristisch waren

Teilen, teilhaben lassen und mitteilen: mit zwei Strohhalmen aus einem Glas trinken, Partizipation zum Nutzen anderer und auch zu einem Teil werden. Ihre Devise: Nicht reden, handeln…

Einsatz dort, wo Not an Frau oder Mann ist: dazu zählte Sponsoring, Einsatz für Frauen in Afghanistan, dazu setzte sie Hebel in Bewegung, packte an

Dabei galt immer: Das schaffen wir – und dafür ging sie auch manches Risiko ein

„Das schaffe ich“ galt auch im eigenen Leben: oft hat sie erzählt, wie sie sich im Studium, in Marburg und dann anschließend in Karlsruhe nicht nur durchgeschlagen sondern auch immer dafür gekämpft hat. Neues versuchen und aufbauen: Radierungen, Modern Art Gallery zuerst in der Waldstraße, dann der Umzug ins IHK-Gebäude in der Erbprinzenstraße. Auch da kam das Norddeutsche durch: die Kauffrau die hart aber fair verhandelte, verlässliche Partnerin war und sich den Kunden zuwandte. Der Erfolg stellte sich sicher durch eine Fähigkeit ein: sie konnte Geschichten erzählen. Da kamen Kunden und brachten ein Bild, um es Rahmen zu lassen. Sie schaute das Bild an und begann, dazu eine Geschichte zu erzählen – damit wertete sie das Bild und natürlich gleichzeitig den Kunden mit seiner Absicht auf – der Rahmen durfte da schon auch was kosten.

Sie hat gelernt, hinter die Dinge zu schauen, sehen was hinter der Sache steckt: Da-zu hat sie immer wieder das alte Erlebnis erzählt: mit ihrem Vater auf dem Schiff, sie stehen vor der Tür zum Maschinenraum: Zutritt verboten. Der Vater drückt die Klinke und trat ein „… aber Vati das dürfen wir nicht …“ – „Ja wenn wir hier nicht eintreten, dann wirst Du nie erfahren, wie so ein Schiff und der Motor funtionieren!“ Und tatsächlich, nach einem entsprechenden Verweis und der Begründung durch den Vater, wurde alles ausführlich erklärt und gezeigt! Na also, geht doch…

Bei allen Geschichten kam Ihr sicher ihre Liebe zur Literatur jeder Art zu Gute. Sie las viel und suchte immer wieder die Diskussion über die Inhalte. Auf unseren Wanderungen und Reisen liebte sie es, möglichst gemeinsam ein Buch zu lesen und uns auszutauschen. So hatten wir auf einer Reise das Thema Briefe, auf der nächsten das Thema Karten (imaginären Landkarten) und auf unserer letzten Venedig-Reise das Thema Zeit.

Bei diesen Gesprächen und bei vielen Diskussionen u.a. auch in unserer DenkBar habe ich immer wieder gestaunt, dass sie auch nach Jahren immer noch wörtlich Gelesenes oder Gehörtes zitieren und sogar wörtlich wiederholen konnte. Ich habe es bewundert, aber auch den Nachteil des guten Gedächtnisses erlebt, nämlich auch nicht vergessen zu können.

Die letzten Jahren waren geprägt durch Veränderungen: Abschied nehmen wollen von ihrem Geschäft, die Übergabe der Galerie an Stefan Steiner, der große Einsatz, als Stefan krank wurde, die Übergabe dann an Marie Louis Chouchene. Aber auch die Krankheiten, zuerst der Arm, dann der Fuß, dann die ständige Beeinträchtigung der Augen.

Trotzdem hat sie unermüdlich Einsatz gezeigt. So z.B. vor einem Jahr, als wir den alten Laden in der Gerwigstraße renoviert, eingerichtet, aufgebaut haben und dort unser gemeinsames Domizil für den Schrifthof, die Werkstatt für experimentelle Kalligraphie, eingerichtet haben, hat sie sich hinein gestürzt, ist auf die Leiter gestiegen, hat die Wände gestrichen, mit ihren Ideen gestaltet und vor allem mit einer Begeisterung auch sehr anspruchsvolle Kurse angeboten: nach ihrer Reise in diesem Frühjahr mit Ulfert Rieger, ihrem Bruder, nach Tasmanien, hat sie den Workshop „Imaginäre Landkarten“ geleitet und selbst aktiv gezeichnet. Bilder der Erinnerung, Imaginationen und hat wieder mit den Teilnehmenden diskutiert, aufgeschlossen und Eindrücke vertieft.

Auch das zeichnete Jantje aus: ihr Blick auf das Bild, die Landschaft, das Kunstwerk, ihr weiter Blick und gleichzeitig die Wahrnehmung, ihre Wirkung und Bedeutung und natürlich bei allem Spaß und Freude und auch das Lachen über sich selbst. So auf unserer ersten, langen Wanderung auf dem Pfälzer Jakobsweg. Johanneskreuz – Einkehr in einer polnische Wirtschaft. Wir freuen uns auf die Pfälzer Bratwürste mit Kartoffelpüree und Sauerkraut. –nicht genießbar – und trotz den kleinen Probierstückchens vor der Reklamation zeigten sich bei ihr dann die fatalen Folgen: „Benno, geh schon mal ein Stück vor, ich komme gleich nach!“ Nicht aufgeben, egal wie schlecht es ihr ging. Durchhalten, aushalten und mitmachen.

Das war dann auch das Neue und für sie so Spannende: hinter die Bühne schauen, durch die Kulissen wandern und Theater hautnah erleben. Vor drei Jahren durften wir in Venedig das innere Leben des Opernhauses Teatro La Fenice besichtigen. Hier zu Hause öffnete sie ihr Haus für Sängerinnen und Sänger des Staatstheaters. Sie nahm gerne die Einladungen von Pietro und Rodrigo an, die Proben und Aufführungen im Staatstheater Karlsruhe zu erleben, dann in der Kantine die ersten Diskussionen über Aufführung und Wirkung zu führen und – vor allem – hier zu Hause mit ihren Gastbewohnern kochen oder bekocht werden, essen und diskutieren und vor allem gemeinsam hier zu wohnen. Das Haus wurde auf einmal noch lebendiger. Eine große Freude war es für sie als Pietro im letzten Jahr zu ihrem Geburtstag mit Klavierbegleitung – es war ein E-Piano – ein Ständchen zu ihrem Geburtstag sang. Es hat sie mit Stolz und Freude erfüllt. Der Beginn eines neuen Abschnitts eben wieder …

… zwei Strohhalme – gemeinsam leben und erleben.

Und sie war und ist es bis zum Ende ihrer Wanderung geblieben: eine Norddeutsche. Ich verkneife mir hier den Zusatz „typische“.

Auf der Hinfahrt zu unserer Wanderung in der Lüneburger Heide kam sie ins Schwärmen über die Weite, das platte Land: „und ist das nicht schön, wenn man heute schon weiß, wer morgen zu Besuch kommen. Der weite Blick.“

Und davon hat sie immer wieder gesprochen – vor allem in den letzten drei Jahren seit dem Tod ihrer Lieblingstante und den damit verbundenen häufigen Fahrten nach Wilhelmshaven.

Sie sagte oft: eigentlich gehöre ich dorthin an die Küste, ans Meer.

 

Liebe Jantje, ich bedanke mich bei Dir für all die freudigen, ernsten und auch streitbaren Stunden und Erlebnisse, die wir mit den zwei Strohhalmen in den letzten 20 Jahren aufsaugen durften. Es sind nachhaltige und tiefe Erlebnisse gewesen, die es mir immer noch so schwer machen zu glauben, dass dieser Ruf nun hier für uns vorbei ist.

… und bitte noch zwei Strohhalme …

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