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Warum man in Italien Creme frittiert

16 Genussberichte aus 11 Regionen

Eine Leseprobe:

Il Molise – wenn ihr diesen Namen noch nie gehört habt, dann geht es Euch so wie allen, die ich vor meiner Abreise gefragt habe und die alle zur gebildeten, durchaus reisefreudigen Kategorie gehören. Ein bisschen erstaunt mich schon, dass dieser Name noch so gut wie gar nicht über die Landesgrenzen gedrungen zu sein scheint. Also: Heute werden wir diese Kulturlücke ein für alle Mal schließen;-)
Auch ich tat dies mit meiner Reise, denn ich war zwar einige Male durchgefahren, hatte mich aber noch nie dort aufgehalten.

Mit gut 300.000 Einwohnern (und auch flächenmäßig) ist die Region die zweitkleinste nach dem Aostatal und gehörte außerdem bis 1963 zu den Abruzzen, was vielleicht auch dazu beiträgt, dass sie noch nicht so deutlich wahrgenommen wird. Wie es aussieht, ändert sich dies aber peu à peu, denn die Region ist klein aber fein: Neben einem schönen und noch nicht stark frequentiertem Küstenabschnitt, dem übrigens auch beste Wasserqualität attestiert wird, bietet das bergige Hinterland noch viel ursprüngliches, reizvolles Italien. Gut und üppig gegessen wird hier außerdem! Hättet ihr gedacht, dass ca. 40% der weißen Trüffel Italiens aus Molise kommen? Und wo Trüffel sind, gibt es ja in der Regel einen gut ausgeprägten Sinn für Kulinarik…
Ich wurde während meines viertägigen Aufenthalt nicht enttäuscht, außer vielleicht vom Wetter, das bei der Weiterreise noch für einige Einlagen all’italiana sorgte…
Aber erstmal kam ich ja an, und zwar am Flughafen Pescara in den Abruzzen, wo mich bereits Regen erwartete. Gleich im Bus zum Bahnhof kam ich dann mit einem kultivierten Herrn ins Gespräch, der aus Molise war und wie ich nach Termoli musste, so dass wir die Weiterfahrt zusammen fortsetzten und ich bereits einen ersten Einblick in die hiesige Kulinarik bekam und außerdem einen Restauranttipp für Campobasso, der Hauptstadt der Region.
In Termoli angekommen nutzte ich die Regenpause für eine kurze Erkundung, denn für die nächsten Tage war Dauerregen angesagt (und dann DER große Wintereinbruch).

….

Termoli liegt an der Küste und ist ein nettes Städtchen: Eine süße, historische Altstadt, die auf das Meer hinausragt, und das Meer mit einem weitläufigen Strand. Hier war ich zu Fuß in 3 Minuten und wurde schon von weitem als Exotin identifiziert, da ich sogar bei Wind und Regen dort spazieren ging.
Einmal winkte mir ein Mann von weiter oben und rief mir etwas zu. Er machte sich Sorgen, weil ich allein bei Wind und stürmischer See am Strand war und befürchtete anscheinend, dass ich mich in die Fluten stürzen wollte. Ich konnte ihn beruhigen… dennoch, ich war irgendwie gerührt. In Deutschland habe ich manchmal das Gefühl, man könnte vor den Augen der anderen krepieren, ohne dass sich jemand rührt. Bloß nicht einmischen, bloß keine Barriere durchbrechen, es könnte ja peinlich werden… das wird einem hier nicht so leicht passieren. Die Italiener mischen sich ein. Hier können einem andere Dinge passieren, aber wenn es um das Miteinander geht, führen die Italiener einfach ganz weit vor den Deutschen. Da war die Situation am Strand nur ein Beispiel von vielen.

An der Küste isst man selbstverständlich hervorragend Fisch.
Ein echter Klassiker ist der brodetto di pesce, was man mit „Fischbrühchen“ übersetzen könnte, was aber der Sache nicht so ganz gerecht wird. Die Zubereitung ist aufwändig, da traditionell eine Vielzahl von Fischen verwendet wird, vorwiegend jene nicht so edlen Sorten, die früher beim Fang eben auch dabei waren. Das Ergebnis ist jedenfalls eine intensiv aromatische Fischsuppe, in der manchmal auch Pasta mitgegart wird. Heute eine eher teure Spezialität, war der Brodetto früher das Standardessen der armen Fischer.
​​Auf Empfehlung von Francesco, dem Besitzer meines B&Bs, ging ich am Sonntag mittag (nach dem besagten Strandspaziergang) in das Fischrestaurant Recchi, was sich als genial herausstellte. Selbst ich als sparsame Natur lerne hier, mit Freude auch mal etwas mehr Geld für ein gutes Essen auszugeben – zumal es hier meist ja gar nicht soo viel kostet! Das war am Anfang der Italienreisen noch anders, wo ich gerne vieles probiert, aber am liebsten nichts ausgegeben hätte. Irgendwann aber verfällt man der Passion der Italiener für das Genießen und dem Glücksgefühl, das eine wunderbare Mahlzeit erzeugt. Als ich meine gratinierte, frisch gefangene Dorade mit Ofenkartoffeln und geschmorten Paprika aß, dazu ein Glas Weißwein, war die Welt nur noch gut!

Einen Tag verbrachte ich in Campobasso, wo man in die tieferen kulinarischen Schichten von Molise eindringt. Campobasso liegt ca. 70 km entfernt auf ca.700m Höhe.
Auf der grünen Hügellandschaft ringsherum gibt es Viehhaltung. Daher spielt der Käse in Molise eine sehr große Rolle, allen voran Pasta filata-Käse wie Caciocavallo, Provolone und Scamorza und natürlich frische Mozzarella, Bocconcini und ähnliche Sorten. Caciocavallo, Provolone und Scamorza sind sich sehr ähnlich, so dass viele Italiener die Bezeichnungen als Synonome benutzen. Die Herstellung unterscheidet sich tatsächlich auch nur wenig, der Hauptunterschied ist die Herkunft und auch die Größe. Der Caciocavallo zB ist meist größer als der Scamorza, der in der Regel nicht über 500g wiegt.
Auch Pecorino wie zB der pecorino di Capracotta ist verbreitet.
Eine ungewöhnliche Spezialität ist die manteca: In einer festen Caciocavallo-Hülle versteckt sich ein Kern aus Butter. So ließ sich die Butter in früheren Zeiten besser konservieren.

Ich trat in ein kleines Lädchen ein, in dem vor allem die Produkte der Az. Agr. Sardella (dem Hof der Familie Sardella) verkauft wurden. Hier erfuhr ich auch vom provolone impiccato: Ein Provolone wird über glühende Kohlen gehängt und schmilzt dann langsam; der geschmolzene Käse wird auf Brot gegessen. Genial- sozusagen das Raclette made in Molise! Hier gab es die gesamte Palette der lokalen Käsesorten, so dass ich mich ausführlich informieren konnte. Als ich von meinen Recherchen berichtete, schenkte mir die nette, junge Verkäuferin sogar einen Scamorza mit Trüffeln zum Probieren. Seehr lecker und auch aus der Pfanne ein Genuss! Es ist hier nämlich durchaus üblich, den Scamorza als secondo zu servieren. Als scamorza alla pizzaiola beispielsweise, aus der Pfanne mit Tomatenpassata, Oregano und Knoblauch…klingt vielversprechend.
Die Zugabe von Trüffeln ist hier verbreitet, da, wie schon gesagt, Molise ein bedeutender Trüffelproduzent ist. Und wo Trüffelwälder sind, sind auch meist die Steinpilze nicht weit. Ein Besuch der Region ab November ist also eindeutig zu empfehlen;-)
Ich ließ es mir auch nicht nehmen, das Restaurant in Campobasso aufzusuchen, das mir am Anfang von meinem Mitreisenden als bodenständig und rustikal empfohlen worden war. Die Suche nach so einer fremden location ist immer spannend, denn man weiß ja nun gar nicht, was einen erwartet.
Dieses Restaurant wurde nun garantiert von keinem Touristen besucht! Es lag außerhalb des Zentrums und hatte den Charme eines Gemeinderaums. Eigentlich steigerte das meine Vorfreude schon fast, denn oft bekommt man in Italien gerade an solchen Orten wirklich hausgemachtes Essen. Aber ich stellte die Küche vor eine fast nicht zu meisternde Herausforderung und ein anderes fleischfreies Gericht als nach Brühwürfel schmeckende Tagliatelle mit Steinpilzen zu produzieren, das ging irgendwie nicht. Wenigstens war es konkurrenzlos günstig…

Einige Schritte entfernt entdeckte ich dafür eine ca. 1,5 m² große pasticceria mit wenig mehr als 5 Sorten im Angebot, geführt von einer mindestens 80-jährigen Dame aus Sizilien…in Süditalien gibt es sowas noch. Nirgendwo hätte ich lieber meine dolci gekauft!

Als dolce der Region entdeckte ich in einer pasticceria in Termoli die cilli oder auch celli, die man entweder in Kringelform oder eben so wie ich als kleine halbmondförmige Taschen findet. Es ist eine ungewöhnliche Süßigkeit, die in früheren Zeiten um die Weihnachtszeit zubereitet wurde. Ein hauchdünner Teig aus Mehl, Zucker, Olivenöl und Wein (ja, den gibt es in Molise auch!) umschließt eine Traubenfüllung mit Mandeln. Diese Masse wird im Herbst nach der Traubenernte zubereitet, sie ist leicht trocken und nicht sehr süß, aber sehr fruchtig mit einer tiefvioletten Farbe. Ich fand es eine interessante Entdeckung, da es sich eben nicht um klassische Kekse handelt, die man überall mit lokalen Varianten findet.

Die Tage gingen schnell vorbei. Als ich am Morgen der Abreise das Fenster öffnete, traute ich meinen Augen nicht: Dünne Schneeflöckchen schwirrten durch die Luft und die war richtig kalt. Nordisch winterlich kalt! Da wusste ich, dass die bevorstehende Zugfahrt vermutlich interessant werden würde. 
Die Fahrt ging Richtung Rom; vor dem Abflug wollte ich dort zumindest noch einen Tag verbringen. Francesco versorgte mich noch mit einem Stück Kuchen „für die lange Zugfahrt“ und da hatte er in der Tat einen guten Riecher.
Schnee bedeutet in Italien generell Chaos, und je weiter südlich, desto mehr. Das ohnehin störanfällige Verkehrssystem Italiens kollabiert nach der dritten Schneeflocke. Ich kam gerade 45 Minuten weit, da fiel schon der nächste Zug aus…Für die gut 200 km Luftlinie bis Rom brauchte ich dann auch nur ganz kurze 8,5 Stunden, inkl. Zugausfällen, Steckenbleiben, Fahrzeugwechsel. Aber es hätte noch schlimmer kommen können, zum Glück war es meistens warm. Die Fahrt hatte auch ihre guten Seiten – es hat Seltenheitswert, dass man hier die Küstenorte unter einer weißen Schneedecke sieht!
Ja, aber dann war ich tatsächlich angekommen. Rom ist natürlich ein Kapitel für sich, dass ich jetzt nicht aufmachen werde.
Es war jedenfalls noch ein schöner, wenn auch kalter Tag in Rom, den ich mit Pieros Freundin Jeannette aus Berlin verbrachte. Sie zeigte mir ihr Viertel Pigneto, wir hatten ein rustikales, leckeres Mittagessen und so beschloss ich meine Reise in guter Gesellschaft und natürlich auch mit einigen Leckereien.
Es waren wieder sehr schöne Tage in Italien!
Langsam aber sicher werde ich mich jetzt ans Schreiben des geplanten Buches machen und werde daher -leider- die Reisephase ausklingen lassen. Evtl steht im April noch eine Tour Aostatal-Piemont an, denn diese hatten wir im Januar wegen der heftigen Wintereinbrüche verschoben.
Also, hoffentlich nochmal… alla prossima
und liebe Grüße nach überall
Rike

Rezepte aus Molise

Scamorza alla pizzaiola

Käse spielt eine wichtige Rolle im Hinterland von Molise, und gerade der Scamorza wird hier auch gern mal als Hauptgericht (secondo) zubereitet.
Brot und Salat passen perfekt zu den Scamorza alla pizzaiola, ein durch und durch italienisches Rezept! Supereinfach und schnell…

Für 4 Personen

4 Scheiben Scamorza à ca. 1 cm oder 1 Scamorza à 350-400g
500g Passata
1 Knoblauchzehe
Oregano
Olivenöl
Salz, Pfeffer

In einer großen Pfanne das Öl erhitzen. Knoblauch fein hacken und kurz andünsten, dann die Passata dazu geben und mind. 10 Min. köcheln lassen, bis sie etwas reduziert ist, dabei salzen und mit etwas Oregano würzen.
Dann die Scamorza-Scheiben in die Pfanne geben. Nach ca. 4-5 Min. wenden. Falls es ein ganzer Scamorza ist, längs halbieren und vor dem Servieren die Hälften nochmals durchschneiden. Der Scamorza sollte weich, aber nicht komplett zerlaufen sein.

Crostata

Francescos Crostata rettete mich auf der langen und winterlichen Zugfahrt nach Rom! Diese war süß, weich und buttrig, also richtig was für die Seele. Sie kann aber auch schön knusprig sein.
Die Crostata ist in ganz Italien ein sehr beliebter Kuchen. Er ist unkompliziert, relativ schnell gemacht und kann gut variiert werden. Die klassische Variante ist diese hier mit Aprikosenmarmelade, aber man kann ebensogut eine andere Marmelade verwenden.

für 1 Springform à Ø 26 cm

320 g Weizenmehl Type 405
130 g Rohrzucker
150 g kalte Butter
1 Ei
1 Bio-Zitrone
½ TL Backpulver
Salz
350 g Aprikosen-Fruchtaufstrich oder Marmelade (wird dann süßer)

Springform fetten. Zitrone heiß abwaschen, trocknen und ca. 2 TL Schale fein abreiben.
Mehl, Backpulver, Zucker, Zitronenschale und 1 Prise Salz in einer Schüssel vermischen. Butter ca. 1 cm groß würfeln und zugeben, ebenso das Ei. Alles mit den Händen zu einem geschmeidigen Teig verkneten, ggf. etwas kaltes Wasser hinzufügen.
Backofen auf 180 °C vorheizen. Ca. ⅔ des Teiges mit den Fingern in die Form drücken, dabei einen ca. 1 cm hohen Rand formen. Aufstrich gleichmäßig auf dem Teig verteilen.
Für die Garnitur den restlichen Teig auf bemehlter Arbeitsfläche rechteckig ca. 26×15 cm groß ausrollen und längs mit einem Messer oder Teigschneider in 10 1-1,5 cm breite Streifen schneiden. Streifen gitterförmig auf den Kuchen legen und überstehende Enden kürzen.
Crostata ca. 35 Min. backen (sie sollte leicht Farbe angenommen haben) und auskühlen lassen.