Große Inszenierung in der Punta della Dogana und im Palazzo Grassi
Würde über dem Eingang der beiden Häuser der Titel stehen „The boat is leaking. The captain lied“, wie die Ausstellung in der Fondazione Prada (siehe den Beitrag) genannt ist, würden sicher viele Besucher nicht mit derart staunenden Augen vor den Werken von Damien Hirst stehen. „Unbelievable“ heißt das Schiff, auf das Damien Hirst die Besucher setzt und in See stechen lässt. Wie soll man diese große Show benennen? Eine „Ausstellung“? Oder vielleicht eine gigantische Verkaufsshow? Oder eine unglaubliche Inszenierung von Werken, die monumental bis hin zu größenwahnsinnig wirken.
Und doch lässt Damien Hirst zu keinem Zeitpunkt aus, dass es sich um eine Inszenierung, um einen Fake und letztendlich um ein großes Märchen handelt. Die Geschichte vom entlassenen Sklaven, der Reichtümer ansammelt, ein Schiff belädt, um die gigantische Sammlung von Skulpturen, Gefäßen, Gold, Schmuck und Plastiken zu einem fernen Ort zu bringen. Wie es seine Legende erzählt, sinkt das sagenhafte Schiff. Erst vor wenigen Jahren wurde das Wrack gefunden und von Damien Hirst und seiner Mannschaft gehoben.
Da steht die riesige Azteken-Uhr, von Korallen und allen möglichen bunten Meerestieren und Meerespflanzen bewachsen. Wie kam sie wohl in den Besitz des Sklaven? Figuren, die aus verschiedenen Mythen und Allegorien zusammengesetzt sind. Und dass es sich um Machwerke handelt, wird spätestens klar, wenn man einen korallenbewachsenen Damien Hirst und an seiner Hand die ebenfalls verzierte Micky Mouse entdeckt. Geschichten, die uns ein Erzähler aus seiner Traumwelt erzählt.
Im Atrium des Palazzo Grassi steht der achtzehn Meter hohe „Demon with Bowl“ mit seinem gigantischen Fuß, seinem gigantischen Bein auf einem gigantischen Sockel. Und ringsum sieht man: Augenaufreißen, Stirnrunzeln, Mundverziehen, Lachen, Kopfschütteln, Ekel, Erschöpfung – Erschöpfung von so viel monumentalen, sich immer wieder wiederholenden Werken, alles käuflich, wie der Katalog sagt. Irritation bis Verärgerung und doch ein echter Damien Hirst, wieder eine Provokation im Kunstgeschehen. Er lässt uns nicht unberührt zurück. „Irgendwo zwischen Lüge und Wahrheit liegt die Wahrheit“, steht über der Eingangstür der Punta della Dogana. Ob sie wirklich da liegt oder ob es nicht besser doch als großer Fake bezeichnet werden soll, der die Bühne der Biennale „schamlos“ ausnutzt.
Diese Show irritiert auch uns – aber zum Glück steht da auch noch: „The boat is leaking. The captain lied“ und vielleicht sinkt mit einem ermüdenden Gigantismus auch der Wert der Gegenstände in die Tiefe der Vergessenheit der Kunstwelt.
Ist es die Provokation, die wir von einem superreichen „Künstler“ erleben und vielleicht sogar von einem Damien Hirst erwarten? Ist es die Vorführung, dass unsere Kunstwelt „gemacht“ ist und vielleicht zu einer ungeheuren Blase angeschwollen ist? Ist es unsere Naivität, dass wir immer noch glauben, ein Künstler muss arm sein, um „gute“ Werke zustande zu bringen? Oder ist es einfach unsere Verärgerung, dass jemand mit unendlich viel Geld diejenigen, die sich bemühen und mit einfachen Mitteln zu kunstvollen Ergebnissen kommen, einfach wegdrängen kann?