Ist die Kunst der Zeit voraus?
Wenn wir in der Zeit zurückblättern, begegnen uns Bilder, die vermeintlich schon vorweg nehmen, was wir gerade erleben. Ist jemandem schon einmal aufgefallen, dass bereits bei der Biennale 2019 in Venedig ein Vorgriff auf die aktuelle Situation gezeigt wurde. In der lebendigen Installation mit dem Blick auf die Strandoper „Sun & Sea (Marina)“ der litauischen Künstlerinnen Rugile Barzdziukaite, Vaiva Grainyte und Lina Lapelyte Szenarien gezeigt wurde, wie wir sie bereits jetzt im April und Mai in den Parks gesehen haben und dann vielleicht in diesem Sommer an den Stränden und in den Schwimmbädern erleben werden. Die Sonnen-Badenden liegen gut voneinander getrennt mit mindestens 1,5 m Abstand. Erstaunlich – oder vielleicht auch nicht, weil es dem Eigen-Raum und den persönlichen Grenzen entspricht.
Bereits ein Jahr vorher hat 2018 Donna Haraway sich zu Lebensraum geäußert: „Diese Zeiten, Anthropozän genannt, sind die Zeiten einer artenübergreifenden Dringlichkeit, die auch die Menschen umfasst: Es sind Zeiten von Massensterben und Ausrottung, von hereinbrechenden Katastrophen, deren unvorhersehbare Besonderheit törichterweise für das schlechthin Nichtwissbare gehalten werden; einer Verweigerung von Wissen und Kultivierung, sich die kommenden Katastrophe rechtzeitig präsent zu machen; Zeiten eines nie dagewesenen Wegschauens.“
Unsere Lebensräume ändern sich.
Und gerade jetzt erleben wir sie, die Wegschauenden, die Ignorierenden, die Zurück-in-den-alten-Zustand-Denkenden. Verschwörungstheoretiker reden es weg, übersteigern ihr Selbstwertgefühl, drängen mit Ihren Interessen, Machtvorstellungen, politischen Karriereplänen nach vorne. Drängen die Gesellschaft in die Selbstzerstörung. Und wie dem Leithammel laufen die Schafe dämlich hinterher. Am deutlichsten erleben wir es in USA. Und auch unsere Gesellschaft bereitet sich auf diesen Gang vor, den Rufenden zu folgen – in der Hoffnung, wir drehen alles wieder zurück in den alten Zustand vor Corona. Es wird uns nicht gelingen