Sind es nur die modischen Worte, Anglizismen, oder steckt dahinter ein Bedürfnis? Das habe ich mich gefragt, als ich das erste Mal dem „Hand-Lettering“ begegnet bin. Es gibt immer mehr Bücher. Kurse werden angeboten, Vorlagen und Übungshefte. Wenn es um Schrift geht, kann ich natürlich nicht daran vorbei. Also habe ich auch geschnuppert – allerdings nur in einem Buch. Und als erstes habe ich gelernt: Hand-Lettering hat nichts mit Schreiben zu tun, sondern bezeichnet das Malen der einzelnen Buchstaben. Und da sind die Lettering-Arten definiert, unter diese Kategorie fällt auch die Kalligraphie, sie wird bezeichnet als die spezielle Lettering-Art, die die Buchstaben mit einer Spitze, der metallischen Feder malt. Aha, nun weiß ich es, also auch wir Kalligraphen und Schriftkünstler betreiben also Lettering und beschränken uns auf die Spitze mit zwei flexiblen Schenkeln.
An anderer Stelle habe ich gelesen, man muss sich nur den richtigen Stift kaufen, dann funktioniert Hand-Lettering von ganz alleine. Ob unsere Hände, egal ob links oder rechts, dieser Aussage so zustimmen? Ich erlebe mit meiner Hand und in den Kursen anderes. Aber vielleicht benutzen wir einfach die falschen Werkzeuge.
Uns machen die Vielfalt und die unterschiedlichsten Ausdrucksmöglichkeiten einfach Spaß und zudem folgen wir dem Gedanken von Hans-Joachim Burgert: „Kalligraphie ist eine Disziplin, die Funktionen zu tragen hat.“ [https://www.berliner-sammlung-kalligraphie.de/publ.htm#]. Und in unserer Werkstatt gehen wir diesem Gedanken nach, experimentieren und spielen mit den vielfältigen Formen der Kalligraphie: Schriftspiel, Schriftkunst, expressive und experimentelle Schrift, Handschrift, Typen, Charaktere – und alles wirklich „Hand-gemacht“.
Hans-Joachim Burgert versteht Kalligraphie nicht als „schön schreiben“ und damit den allbekannten gedruckten Buchstaben in seiner Präzision zu imitieren oder vielleicht noch ein wenig künstlerisch zu variieren. Buchstaben waren und sind immer Kulturzeichen, die von einer gestaltenden Hand für Schrift benutzt werden. „Kallos graphein“ bedeutet tatsächlich „schön schreiben“ nur verbirgt sich hinter dem „schön“ mehr als nur Präzision, Exaktheit, die genaue graphische Form.
Im Grunde steckt dahinter das eher japanische Prinzip der Kalligraphie, an der auch wir Kalligraphen uns orientieren können. Allerdings nicht auf das, was landläufig damit oft subsummiert wird: das vermeintliche Zeichnen von japanischen Zeichen. Kalligraphie bedeutet, die Form zu spüren, die Form zu denken. Also nicht alleine den Inhalt und damit die reine Funktionalität denken, sondern darüber hinaus eine gute Form zu finden, dabei aber das Zeichenprinzip zu beachten.
Legen wir beim Schreiben mehr Wert auf die Funktion, so erlaubt dies nur wenig Form, da die Lesbarkeit im Vordergrund steht. Legen wir mehr Wert auf die Form und damit den Ausdruck des Gedankens, so erlaubt dies nur wenig Funktion, und die Lesbarkeit tritt in den Hintergrund.
Das Zeichnen von Buchstaben ist also zu wenig und grenzt sich damit vom Hand-Lettering deutlich ab.